Es begann schon in der Kindheit
Die Welt sehen – davon habe ich schon geträumt seid ich denken kann. Als Kind habe ich immer aus unserem kleinen Badezimmerfenster die Flugzeuge am Himmel beobachtet und mir vorgestellt wie es wohl dort oben wäre. Flüge nach Mallorca konnten sich bis dato gefühlt nur die Kinder von Ärzten oder selbständigen Eltern in der Schule leisten. Für uns ging es immer mit dem Auto in den Urlaub – Bibione war meistens unser Ziel. Als Kinder waren wir glücklich aber ein Teil in mir wollte immer weiter Weg und neue Abenteuer und Orte erleben. Ich habe mir vorgestellt in spannenden Berufen wie einer Forscherin oder Meeresbiologin zu arbeiten und neue exotische Pflanzen und Kulturen zu erforschen. Ich war schon immer ein sehr neugieriges Kind aber mein Weg sah erst einmal nicht sehr exotisch und abenteuerlustig aus.
Die Geschichte zur Weltreise 1.0
Ich habe BWL studiert und Valentin hatte damals die Ausbildung zum Zimmermann gemacht. Uns war schnell klar, dass wir nach meinem Studium eine größere Reise machen werden und es kam zu der Idee mit der Weltreise 1.0. Wir haben 5 Jahre gespart und jeden Cent umgedreht, um nach 3 Monaten Australien Reise wieder nach Deutschland zurück fliegen zu müssen. Covid und Lockdown waren der Übeltäter. Wir haben es gerade so geschafft unser Auto zu verkaufen und sind danach direkt an den Flughafen um die Heimflüge zu organisieren. Die Grenzen zwischen den „Terretories“ wurden dicht gemacht und wir mussten uns damit abfinden, dass die Reise erst mal vorbei war. Vielleicht war es Schicksal, denn wir waren damals noch nicht bereit für eine so große Reise gewesen. Wir haben es uns sehr gut gehen lassen und unser erspartes war innerhalb von 3 Monaten zum größten Teil aufgebraucht, ohne darüber nachzudenken was nach Australien kommt. Man muss wissen das Australien nicht gerade zu den günstigen Ländern zählt. Wir wollten aber nach einer so langer Zeit voller Verzicht eine unvergessliche Zeit, was uns ziemlich gut gelungen ist. Der Lockdown hat uns wohl vor einer unschönen Erfahrung bewahrt, die einer Reise die vermutlich schneller ein Ende gefunden hätte auch ohne Covid.
Der erneute Aufbruch
Der Alltag in Deutschland war alles andere als abwechslungsreich und jeder Tag sah gleich aus. Ich habe im Vertrieb gearbeitet und Valentin auf dem Bau als Zimmermann. Bis zu dem Zeitpunkt als uns eine Mail aus Neuseeland erreichte, die vergessenen Mut und Abenteuergeist unsererseits erforderte. Die Entscheidung war im Nachgang betrachtet von Anfang an klar aber der Weg dorthin hat viel von uns abverlangt. Kündigung und es der Familie und den Freunden beibringen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt beide in den 30ern. Es kamen Kommentare wie „Wollt ihr mit eurem Ersparten nicht lieber ein Haus bauen?“ und der Klassiker „Wollt ihr nicht mal eine Familie gründen?“. Ne, wollen wir nicht, uns war klar „Wir wollen im Leben nichts bereuen“. Und wir sind ein halbes Jahr später aufgebrochen.
Während der Reise
Anfangs war das Heimweh sehr präsent, und es hat mich auch das ganze Jahr in Neuseeland begleitet. Es ist in Ordnung Heimweh zu haben, nach den Menschen die man liebt oder auch einfach nach einem Döner, deftiger deutscher Hausmannskost oder einfach dem deutschen Bier (if you know you know haha). Es zeigt einem nur wie sehr einem die Menschen zu Hause bedeuten und wie sehr man kulturelle Dinge vermisst. Es gab einen Schicksalsschlag im Freundeskreis und eine Begegnung mit zwei Gleichgesinnten (ja Nico und Emi ihr seid gemeint :D) die meine Gedanken verändert haben, denn ich wollte maximal nur 1 Jahr lang unterwegs sein. Daraus wurden über 2 Jahre, wovon ich keine Sekunde bereue. Valentin hatte mich eine lange Zeit versucht zu überreden uns für das Working Holiday Visum in Kanada zu bewerben. Und ich dachte mir irgendwann „whatever“, das Leben ist einfach zu kurz, ist es wirklich, und ich möchte nicht mit hoffentlich 90 aufwachen und mich fragen, ob ich das Leben gelebt habe das ich wirklich wollte. Gesagt getan. Wir sind von Neuseeland für einen kleinen Erholungsurlaub nach Fiji geflogen, anschließend wollten wir Australien nochmal von einer anderen Perspektive erleben (mein Herz gehört für immer dem Land der Kangooros und Koalas), sind dann über Hawaii (mein absoluter TRAUM) und den USA (San Francisco und New York über Weihnachten, ich weiß, what’s going on? haha) über Mexico (Familienurlaub) nach Kanada geflogen. Wir haben es so richtig krachen lassen. In Kanada haben wir erst mal wieder Geld verdienen müssen und anschließend einen Trip durch die Rocky Mountains und an die US-Westküste geplant. Man sagt immer so schön, genieß die Zeit sie ist schneller vorbei als man schauen kann, und so war es auch.
Über das Heimkommen
Die Entscheidung wieder nach Hause zu gehen fiel nicht aus dem Gefühl heraus wieder nach Hause zu wollen, denn unsere Sicht auf das Leben und unsere Reisen hatte sich um 180 Grad gedreht. Das Heimweh war wie weggeblasen und wir konnten uns ein normales Leben in Deutschland nicht mehr vorstellen. Vor der Reise waren meinerseits Ängste im Kopf wie, du als Frau bist nichts wert in dieser Gesellschaft besonders in diesem Alter. Doch so denke ich mittlerweile nicht mehr. Noch in Kanada haben wir hin und her überlegt, denn unser Visum wäre nur noch 2 Monate lang gültig gewesen und eine Arbeit sowie Wohnung zu finden hätte sich, für den damit verbundenen Aufwand nicht wirklich gelohnt. Wir wollten außerdem etwas finanziellen Puffer haben, denn unser Auto stand über 2 Jahre. Die Entscheidung fiel sehr spontan und nach wenigen Tagen hatten wir auch schon unser Auto verkauft und die Rückflugtickets über Paris gebucht. Über das danach haben wir uns nicht sehr viele Gedanken gemacht.
Wir dachten uns bevor wir so richtig nach Hause kommen, wollen wir uns erst Mal in die Zeit geben, um in Ruhe in Europa anzukommen und mit dem Jetlag fertigzuwerden bevor der Besuchs-Maraton los geht. Wir sind von Kanada nach Paris geflogen und hatten direkt einen Kulturschock. Die Straßen waren sehr eng und es wurde überall geraucht. Daran waren wir nicht mehr gewöhnt, denn im Rest der Welt ist es eher unüblich. Die Zeit in Paris war wunderschön, die Freude über ein Lidl um die Ecke war unbeschreiblich. Endlich wieder günstigere Lebensmittelpreise und europäische Marken. Wir haben die Kultur förmlich aufgesaugt und haben es uns nochmal richtig gut gehen lassen. Noch in Paris haben wir uns spontan dazu entschieden mit dem FlixBus nach Belgien zu fahren, denn meine Eltern waren bis dato noch im Vietnam Urlaub und wir hatten unsere Wohnung bei Ihnen im Haus. Brügge und Gent war unser Ziel. Das Kopfsteinpflaster hatte einen gewissen „Nordseecharme“, den wir schon von Hamburg kannten. Die Städte waren weihnachtlich dekoriert und es gab verschiedene Weihnachtsmärkte, was uns sofort in weihnachtliche Stimmung gebracht hat. Das belgische Bier und die belgischen Waffeln waren ein Traum, doch so langsam mussten wir an die Heimreise nach Deutschland denken. Wir haben niemandem erzählt das wir in Europa sind, wir wollten selber erst Mal mit der Situation klarkommen wieder in Deutschland zu sein und uns Zeit geben die Reise zu verarbeiten. Durch die ganzen neuen Eindrücke wurde daraus natürlich nichts und die Entscheidung alle zu überraschen hat es nicht besser gemacht.
Unsere Rückreise mit dem Zug von Belgien nach Deutschland war alles andere als einfach, doch es war ein Abenteuer. Jeder von uns hatte einen riesen Koffer und zwei kleine Rucksäcke dabei. Es steckten 2 Jahre voller Emotionen in diesen Koffern, denn sie waren alles was wir während der Zeit im Ausland hatten. Vom ausgetragenen H&M Pyjama, den ich aus emotionalem Grund heute noch trage, bis zu gefühlt 1000 Sticker aus jedem Land war alles dabei. Einmal fiel ich sogar mit Koffer aus der Eingangstür des Zugs, denn er war einfach mittlerweile so schwer und es waren so viele Menschen vor der Tür, die einen partout nicht aussteigen lassen wollten. Welcome to Germany dachte ich mir. Wir mussten 7 mal umsteigen, bis heute wundere ich mich wie wir alle Züge und Busse trotz Verspätung erwischt haben. Nach einer endlosen Zugfahrt und einer Bus- und Taxifahrt später sind wir schließlich zu Hause angekommen. Und es fühlte sich an als wäre die Zeit stehen geblieben.
Das erste Mal wieder durch seinen Heimatort zu fahren ist sehr emotional. Der schwäbische Akzent unseres Taxifahrers war das erste schwäbische seit langer Zeit. Alles wirkte genauso wie wir es in Erinnerung hatten und doch war alles so klein wie in einer Miniaturwelt, nachdem wir uns in Metropolen wie Vancouver, New York, Melbourne oder San Francisco zu Hause gefühlt haben. Wir schauten uns ungläubig in die Augen und konnten es einfach nicht fassen. Ich kanns nicht glauben, hörte ich mich immer und immer wieder sagen. Die erste Überraschung war natürlich ein Volltreffer und wir waren die nächsten zwei Wochen in unserer Überraschungs-Bubble. Heute hätte ich das nicht mehr so gemacht. Die emotionale Überforderung war nicht ohne, denn man freute sich doch alle Freunde und die Familie wieder zu sehen, trotzdem fiel es einem schwer wieder anzukommen. Die erste Nacht im eigenen Bett war eher schlaflos als das sie erholend war. Es kamen schnell Fragen wie, „Wie geht es denn jetzt weiter für euch?“, Fragen die man selbst nicht beantworten konnte. Eines war uns aber zu 100 Prozent klar, wir können nicht mehr dorthin zurück wo wir einmal waren. Zu dem Leben zurück das wir einmal geführt haben, denn das würde uns nicht mehr glücklich machen. Selbstständigkeit, Onlinebusiness und Meisterschule standen schnell im Raum für die Aussicht auf Freiheit und weitere Reisen.
Was einem nach der Reise am meisten bewusst wird ist, wie frei man wirklich war. Frei in Entscheidungen, frei von Zukunftsängsten und frei von dem gesellschaftlichen Druck. Man hatte die Zeit Glaubenssätze und Denkmuster wie „Im Leben braucht man ein Eigenheim und ein Beruf bei dem man alt werden kann“ aus der ferne zu betrachten und zu überdenken. Wir sollten uns ernsthaft die Frage stellen, was uns im Leben wirklich wichtig ist, unabhängig davon was von einem erwartet wird. Wir sollten wieder anfangen Dinge im Leben zu tun die einen wirklich interessieren. Ich habe das Gefühl das die Menschen in Deutschland vergessen haben glücklich zu sein, glücklich in ihrem Alltag und Dinge mit Leichtigkeit anzugehen. Vor allem in Australien merkt man die Unterschiede enorm., denn die Aussies gehen vor der Arbeit erst Mal eine Runde surfen. In Australien gibt es passenderweise die Redewendung „Go with the flow“ und bedeutet so viel wie, dass man sich dem Rhythmus der Wellen und des Lebens anpassen sollte, anstatt dagegen anzukämpfen. Es zeigt die australische Einstellung zur Gelassenheit und Flexibilität, die wir in Deutschland irgendwo auf dem Weg in die Zukunft verloren haben. Es soll keine Schimpftirade sein, denn ich liebe unsere Kultur aber irgendwo haben sich die Deutschen in ihrem Schaffertum selbst verloren. Nach der Heimkehr ist die Verlockung groß wieder in alte Muster zu verfallen, es wird immer Hochs und Tiefs geben und einen einfacheren bequemen Weg aber möchte man das denn überhaupt noch? Während der Reise ist man täglich neuen Herausforderung ausgesetzt und man muss häufig aus dem Bauch heraus Entscheidungen treffen. Wir haben wieder Angefangen genau auf dieses Bauchgefühl wieder zu hören.
Was mir am meisten fehlt ist der Kontakt zu anderen Reisenden und die inspirierenden Geschichten. Das ist auch die Geschichte von Nico und Emi und unserer Freundschaft, die uns zu unserer weiteren Reise im Anschluss von Neuseeland inspiriert haben. Sie haben Ihre Reise in Afrika mit einer Volunteering-Reise gestartet und waren in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Es sind die faszinierenden Geschichten und die Menschen darin, die eine Reise zu der machen was sie ist. Zu einer besonderen Lebensreise in der jede Geschichte erzählt werden möchte und jede Stimme gehört wird. Ich würde auch behaupten das eine Reise ohne die Begegnungen darin nicht erfüllend ist, man sieht zwar schöne Orte aber man möchte diese auch mit Menschen teilen.
Unser Ziel mit dieser Plattform ist es, Heimkehrenden sowie auch Reisenden einen Ort voller inspirierenden Geschichten zu bieten. Unabhängig davon haben wir weitere Pläne für die Zukunft, denn wir wollen weiter Reisen, doch wir wollen es anders machen wie davor. Wir wollen uns mehr Zeit während unserer Reisen nehmen und nicht wieder in das alte Leben zurück fallen. Wir haben bereits einen großen Schritt gemacht und leben nicht mehr in unserer Heimatstadt. Wir sind an den Bodensee gezogen und möchten hier den Sommer genießen bevor sich weitere Wege in eine neue Richtung für uns auftun. Der Weg zu einem selbstbestimmten Leben wird nicht immer einfach sein aber er wird sich lohnen, denn das Geschenk wirst DU sein. Für alle Reisende die noch vor der Entscheidung stehen: „If you want to grow you have to go“♥